Case Study
Doppelmord im Amazonasgebiet: Aufklärung mithilfe von IT-Forensik
Selbst umfassende Geständnisse müssen durch eine fundierte Beweisaufnahme untermauert werden. Forensische Bundesexperten in Brasilien setzten den bildgebenden Laserscanner Leica BLK360 im Herzen des Amazonasgebietes ein, um einen Doppelmord zu rekonstruieren und wichtige Zeugenaussagen zu validieren.
Das Verschwinden des Naturschützers Bruno Araújo Pereira und des britischen Journalisten Dom Philips im Amazonas-Regenwald erzeugte internationales Medieninteresse. Brasilien sah sich gezwungen, die Handlungsfähigkeit seiner Strafjustiz unter Beweis zu stellen und den Fall schnell zu lösen.
„Im abgelegenen Javari-Tal, nahe der Grenze zu Peru und Kolumbien, findet man den höchsten Anteil indigener Stämme ohne Kontakt zu moderner Zivilisation“, sagt Bruno Costa Pitanga Maia, Bundeskriminalexperte des brasilianischen Instituto Nacional de Criminalística (INC). „Die Fortbewegung dort ist nur auf dem Wasser möglich.“ Die Wasserstände des Flusses variieren sehr stark, d.h. die Übergänge zwischen Fluss, Sumpf und Boden verschwimmen und verändern sich ständig. Der Transport schwerer Ausrüstung ist unmöglich. Man kann nur mitnehmen, was in einen Rucksack passt. „Als wir uns aufmachten, die Todesfälle von Bruno Pereira und Dom Phillips zu untersuchen, bestand mein Gepäck nur aus dem mobilen 3D-Laserscanner Leica BLK360, meinem Notebook und jeder Menge Mückenschutzmittel.“
Bruno Pereira galt als leidenschaftlicher Verfechter der Rechte indigener Völker. Während seiner Amtszeit bei der nationalen Behörde für indigene Völker (FUNAI) von 2010 bis 2019 sah er sich permanenten Drohungen durch Goldgräber, Holzfäller und Fischer ausgesetzt. Später gründete er UNIVAJA, eine von den Einwohnern des Javari-Tals finanzierte NGO, um den Kampf gegen illegale Fischerei und Schmuggel fortzusetzen. Dom Phillips war ein erfolgreicher britischer Journalist, der in Brasilien lebte. Für die britische Zeitung The Guardian, recherchierte er für ein Buch über nachhaltige Entwicklung und die indigene Bevölkerung, als er gemeinsam mit Pereira beschloss, die Region des Javari-Tals zu besuchen. Als die beiden verschwanden, schlug die internationale Presse Alarm. Die brasilianische Bundespolizei erzielte schnelle Fortschritte bei der Aufklärung des Falles.
Die Validierung der Flugbahn des Projektils gibt Aufschluss über die Perspektive des Schützen.
REKONSTRUKTION EINES VERBRECHENS
Die Männer wurden zuletzt in einem Boot gesehen, das den Itaquai-Fluss hinauffuhr, gefolgt von einem weiteren Boot mit drei Männern, die als Wilderer und illegale Fischer bekannt waren. Philips und Pereira verschwanden am 5. Juni 2022. Drei Tage später wurden die ersten Verdächtigen verhaftet. Ein Forensik-Team aus Manaus traf am 10. Juni ein, und bereits einen Tag später fand man einige persönliche Gegenstände.
Zu diesem Zeitpunkt schloss sich auch ein Forensik-Team aus Brasília an und flog in das Gebiet, um mit der Beweisaufnahme zu beginnen. Überraschenderweise legte am 15. Juni einer der verhafteten Verdächtigen ein Geständnis ab und erklärte sich bereit, die Ermittler an die Stelle zu bringen, wo die Leichen der beiden Opfer vergraben wurden. Mit der Zeit änderte dieser Mann jedoch seine Version des Tathergangs.
Durch die Rekonstruktion des Tatzeitplans lassen sich Aussagen überprüfen und Details beleuchten, die das Strafmaß beeinflussen könnten. Betrachten wir den Moment, als es zum Schuss kam: Führten Beleidigungen zu einem Streit oder war es ein kaltblütiger Angriff? „Um der Frage auf den Grund zu gehen, haben wir uns zwei Boote ausgeliehen und so die Verfolgungsjagd entsprechend der vorliegenden Zeugenaussagen nachgestellt. Bruno und Dom hätten die Mörder erst in unmittelbarer Nähe gehört. Außerdem haben wir mithilfe von Scans ähnlicher Boote aus einem Lagerhaus einen forensischen digitalen Zwilling erstellt. Auf dem Bild ist die Rekonstruktion der Flugbahn des Projektils ersichtlich, das Brunos Oberkörper durchdrang und die Vorderseite des Bootes traf. Das andere Bild zeigt unsere Simulation aus der Perspektive des Mörders."
Nachdem beide Männer erschossen worden waren, lief das Boot auf Grund. Die brasilianische Bundespolizei rekonstruierte den Tatort in 3D mithilfe von Laserscans und physischem Beweismaterial, wie abgebrochenen Ästen und Fußabdrücken. Von dort brachten die Mörder ihre Opfer zur ersten Ablagestelle. Die Leichen wurden im Wasser zurückgelassen, und einige ihrer Habseligkeiten wurden verstreut. Dies waren die ersten Ermittlungsergebnisse. Am Tag darauf wurden die Leichen tiefer den Urwald verbracht, um die sterblichen Überreste dort zu verbrennen.
„Das Gelände um den Itaquai-Fluss ist sehr sumpfig, was die Fortbewegung deutlich erschwert. Angesichts hoher Temperaturen und Luftfeuchtigkeit ist eine robuste Ausrüstung sehr wichtig. Bei unserem ersten Eintreffen waren die Wasserstände hoch. Als wir zurückkehrten, war der Wasserpegel um 1,46 Meter gesunken, wodurch mehr Beweise zutage traten. Dank der Software Leica Cyclone REGISTER 360 konnten wir die Scans der verschiedenen Ortstermine mit Anmerkungen zu jedem Beweisstück überlagern, um ein kohärentes Gesamtbild zu erhalten.
Aufgrund der Beweislage zeigte sich, dass das ursprünglich abgelegte Geständnis den Tathergang korrekt wiedergibt. Am Ende konnten wir einen Mann verhaften, für den diese beiden Pirarucu-Fischer angeblich tätig waren." Die Software und Forensik-Lösungen von Leica Geosystems halfen den brasilianischen Behörden, die Beweislage ihres Falles zu untermauern.
Position und Winkel der Boote bei einer Hochgeschwindigkeitsverfolgung werden in der Software Leica Map360 modelliert.